Bei der transkraniellen Magnetstimulation wird durch eine schnelle Abfolge von Magnetimpulsen die Erregbarkeit von Nervenzellen der Hirnrinde transkraniell, also durch den Schädel, schonend beeinflusst.
Bei der transkraniellen Magnetstimulation wird durch eine schnelle Abfolge von Magnetimpulsen die Erregbarkeit von Nervenzellen der Hirnrinde transkraniell, also durch den Schädel, schonend beeinflusst. © Universitätsklinikum Ulm

Menschen, die an Depressionen leiden – und das sind allein in Deutschland über fünf Millionen – sehen fast nur noch das Negative in ihrem Leben, in ihrem Umfeld und bei sich selbst. Die Depression ist eine sehr belastende und manchmal sogar zerstörerische psychische Erkrankung – je nach Schwere der Ausprägung müssen Betroffene schwerwiegende Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit und Lebensqualität hinnehmen. Mittlerweile lassen sich Depressionen mit Hilfe von Psychotherapie und antidepressiven Medikamenten gut behandeln, doch nicht bei allen Patientinnen und Patienten sind diese Maßnahmen ausreichend wirksam. Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III des Universitätsklinikums Ulm (UKU) beteiligt sich nun an einer Studie, die die Wirksamkeit von Magnetstimulation als Therapiemöglichkeit der Depression näher untersucht. Diese beeinflusst durch Magnetimpulse die Erregbarkeit von Nervenzellen der Hirnrinde und soll so zur Wiederherstellung der Balance der Hirnaktivität beitragen.

„Bei Menschen, die an einer Depression leiden, ist unter anderem die Aktivität in Hirnbereichen, in denen Gefühle und Gedanke gelenkt werden, verändert. Dadurch nehmen Betroffene negative Informationen verstärkt wahr. Dies führt dann zur typischen negativen Verzerrung von Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Gedächtnis“, erklärt Prof. Thomas Kammer, der die Sektion für Neurostimulation an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III leitet. Genau hier setzt die transkranielle Magnetstimulation (TMS) an: durch eine schnelle Abfolge von Magnetimpulsen wird die Erregbarkeit von Nervenzellen der Hirnrinde transkraniell, also durch den Schädel, schonend beeinflusst. Ziel ist es, die Wiederherstellung der Balance der Hirnaktivität zu unterstützen und dadurch eine Erholung von der Depression zu fördern. Aufgrund bisheriger Forschungsergebnisse ist die TMS als neue Therapiemöglichkeit bei Depressionen wissenschaftlich bereits anerkannt. Da der therapeutische Effekt aber bislang nur durch vergleichsweise wenige klinische Studien belegt wird und das Verfahren sehr zeit- und kostenintensiv ist, hat sich diese Behandlungsform noch nicht in der klinischen Routine durchgesetzt. Eine spezielle Art der TMS – die sogenannte Theta Burst Stimulation (TBS) – beeinflusst die Aktivität der Nervenzellen nun mit deutlich kürzerer Stimulationsdauer und möglicherweise sogar länger anhaltend. So kann die Therapie nicht nur schneller durchgeführt werden, sondern es können auch beide Hirnhälften in einer Sitzung behandelt werden. Dieses Verfahren wurde bereits in drei Pilotstudien erfolgreich untersucht.

Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III beteiligt sich nun als eines von sieben Studienzentren an der TBS-D-Studie des Universitätsklinikums Tübingen, die 236 Patientinnen und Patienten mit Depression einschließt. Bei der multizentrischen, randomisierten, placebokontrollierten Studie erhält die Hälfte der Teilnehmenden in 30 Sitzungen über sechs Wochen eine TBS beider Stirnhirnhälften. Die Behandlung selbst dauert nur circa fünf Minuten. Bei der anderen Gruppe wird die gleiche Behandlung durchgeführt, jedoch ohne wirksame Stimulation des Gehirns.

Vor Studienbeginn sowie jeden zweiten Freitag müssen die Teilnehmenden zusätzlich verschiedene Fragebögen zu ihrem aktuellen Befinden ausfüllen und einige Tests zu Konzentration und Aufmerksamkeit absolvieren. Daneben finden detaillierte Arzt‐Patienten‐Gespräche statt. Ein bzw. drei Monate nach der sechswöchigen Behandlungsphase werden die Patientinnen und Patienten dann erneut gebeten, an Kontrolluntersuchungen teilzunehmen.

Ziel der Studie, die vom Ministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, ist es, herauszufinden, ob und wie stark die direkte Stimulation des Gehirns mit TBS zu einer Verbesserung der Depression führt. „Sollten wir diesen Nachweis erbringen können, bedeutet dies für die Patientinnen und Patienten eine erhebliche Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten. Dies wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer noch wirksameren, schnelleren und verträglicheren Behandlung von Depressionen“, betont Prof. Thomas Kammer.

Quelle: Universitätsklinikum Ulm